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„Buy in May“? – Psychologische Fallstricke und reale Chancen am Wohnungsmarkt

„Buy in May“? – Psychologische Fallstricke und reale Chancen am Wohnungsmarkt

 

Der Monat „Mai“ als Prüfstein für Immobilieninvestoren

Jedes Frühjahr geistert sie wieder durch die Finanzwelt: die Börsenweisheit „Sell in May and go away – and come back on St. Leger’s Day“. Ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum stammend, geht sie auf ein saisonales Phänomen zurück: Wohlhabende britische Investoren verließen im Mai die Stadt, zogen sich in ihre Sommerresidenzen zurück – und mit ihnen ebbte auch die Handelsaktivität an den Börsen ab. Erst im September, pünktlich zum traditionsreichen Pferderennen in Doncaster, kehrten sie zurück – und mit ihnen frisches Kapital.

Doch kann man diese Kapitalmarktlogik auf den Immobilienmarkt übertragen? In einer Zeit, in der Schlagzeilen zwischen Zinswende, Wohnungsnot und Transaktionsflaute changieren, stellt sich die Frage: Gilt heute vielleicht eher ein „Buy in May“?

Nach zahlreichen Quartalen rückläufiger Preise und stagnierender Aktivität mehren sich die Anzeichen für eine Bodenbildung. Die Bewertung vieler Wohnimmobilien wirkt wieder deutlich realistischer. Erste Transaktionsdaten zeigen zaghaft steigende Volumina. Zugleich bleibt die Unsicherheit hoch: Wie nachhaltig ist dieser Trend? Wie stark wirkt Psychologie auf Timing-Entscheidungen? Und was sagen aktuelle Stimmungsindikatoren wirklich aus?

Zeit für einen Realitätscheck zwischen Stimmungsumschwung und fundamentaler Bewertung – und für eine kritische Auseinandersetzung mit den psychologischen Fallstricken auf dem Weg zur nächsten Investmententscheidung.

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Wohnklima vs. Wirtschaftsstimmung – Die Schere der Indikatoren als Signalgeber?

Das Wohnklima-Barometer von bulwiengesa und Deutsche Hypo weist traditionell eine enge Korrelation mit dem ifo-Geschäftsklimaindex auf. Beide Indikatoren gelten als relevante Frühwarnsysteme für Investitionsverhalten und Preisentwicklungen. Seit Anfang 2024 jedoch zeigen sich signifikante Abweichungen zwischen den beiden Indizes. Während das ifo-Geschäftsklima auf niedrigem Niveau verharrt und die deutsche Gesamtwirtschaft tendenziell von Unsicherheit, verhaltenem Konsum und Investitionszurückhaltung geprägt ist, notiert das Wohnklima deutlich höher. Diese Auseinanderentwicklung lässt sich nicht primär durch kurzfristige konjunkturelle Impulse erklären, sondern verweist auf strukturelle Knappheitserwartungen, die zunehmend preisbildend wirken könnten.

Hintergrund ist die stark rückläufige Bautätigkeit: 2023 wurden bundesweit rund 294.000 Wohnungen fertiggestellt – 2024 sogar nur noch 252.000 Einheiten. Damit liegt die Neubautätigkeit deutlich unter dem vom BBSR (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) identifizierten strukturellen Bedarf von rund 320.000 Wohnungen jährlich. In Verbindung mit steigenden Baukosten, regulatorischen Unsicherheiten und Finanzierungshürden ergibt sich ein Angebotsengpass, der trotz gesamtwirtschaftlicher Schwäche die mittelfristige Ertragserwartung im Wohnsegment stabilisiert – insbesondere in nachfragestarken Teilmärkten.

Der Deutsche Immobilienaktienindex (DIMAX), der traditionell stark von börsennotierten Wohnungsbestandshaltern geprägt ist, zeigt derzeit zwar eine gewisse Stabilisierung, spiegelt jedoch das jüngst deutlich gestiegene Wohnklima nicht in vergleichbarem Maße wider. Vielmehr lässt sich eine anhaltende Marktzurückhaltung erkennen, die mit der bekannten saisonalen Börsenweisheit „Sell in May“ korrespondiert.

Diese Diskrepanz lässt sich auch behavioral-ökonomisch einordnen: Sowohl die Prospect Theory als auch der Dispositionseffekt, zentrale Konzepte der Behavioral-Finance-Theorie, liefern Erklärungsansätze dafür, weshalb eine strukturell begründbare Aufhellung der Brutto-Cashflow-Erwartungen bislang nur verhalten in der Kursentwicklung abgebildet wird. Gemäß der Prospect Theory bewerten Marktteilnehmer ihre Umwelt relativ zu einem mentalen Referenzpunkt. Nach deutlichen Kursverlusten – wie sie im Zuge des Zinsschocks zu beobachten waren – bleibt dieser Referenzpunkt oftmals negativ gefärbt. Selbst objektive Verbesserungen werden dann verzerrt wahrgenommen oder untergewichtet, ein klassischer Framing-Effekt. Der Dispositionseffekt verstärkt dies zusätzlich: Verluste werden ausgesessen, Gewinner zu früh realisiert – was den Repricing-Prozess verlangsamt. In Summe führen diese kognitiven Verzerrungen zu einer asymmetrischen Reaktion auf neue Informationen – die strukturell steigenden Brutto-Mieterträge werden somit durch die psychologische Verarbeitung vergangener Verluste überlagert.

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„Buy in May“ – Frühjahrssignale im Spiegel des Anlegerverhaltens

Die Erklärung der bisherigen Marktträgheit anhand verhaltensökonomischer Effekte – wie Prospect Theory oder Dispositionseffekt – ist weiterhin nachvollziehbar. Für Investitionsentscheidungen im Jahr 2025 gewinnen jedoch wieder stärker fundamentale Rahmenbedingungen an Bedeutung: Knappheiten, stabile Finanzierungskosten und erste Signale einer Neubewertung am Markt.

Ein zentrales Element ist das langfristige Zinsniveau, das nach dem Zinsschock eine neue Normalität erreicht hat. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 5. Juni 2025 den Einlagenzinssatz um 25 Basispunkte auf 2,0% gesenkt – ein Schritt, der laut Marktbeobachtern weitgehend dem gleichgewichtigen, neutralen Zinsniveau entspricht. Entscheidender für Immobilieninvestoren ist jedoch: Die für langfristige Finanzierungen relevanten Kapitalmarktzinsen haben sich bereits seit mehreren Quartalen auf einem stabilen Plateau eingependelt. In Verbindung mit angepassten Preisniveaus eröffnet dies wieder kalkulierbare Investitionsspielräume.

Tatsächlich zeigen die Daten des vdp-Immobilienpreisindex erste Anzeichen einer Trendwende: Zwar lag das Kalenderjahr 2024 noch im negativen Bereich (Gesamtindex: -2,1 %; Gewerbe: -5,4 %; Wohnen: -1,4 %), doch das erste Quartal 2025 weist erstmals wieder flächendeckend positive Wachstumsraten auf. Über alle Immobilien-Assetklassen hinweg legten die Kapitalwerte gegenüber dem Vorjahresquartal zu – sowohl Wohnen (+3,3 %) als auch Gewerbe (+2,3 %).

Begleitet wird diese Entwicklung von einer weiterhin verhaltenen, aber anziehenden Transaktionstätigkeit: Das institutionelle Transaktionsvolumen erreichte im ersten Quartal 2025 rund 6,7 Mrd. Euro, was gemessen an den Vorquartalen einen vorsichtigen Aufwärtstrend darstellt – jedoch noch weit entfernt vom langfristigen Durchschnitt ist.

„Die weitere Zinssenkung am kurzen Ende durch die EZB ist ein positives Signal – doch die anhaltende Stabilität der langfristigen Zinsen ist für Immobilieninvestoren von noch größerer Bedeutung.“

Maximilian Radert, LL.M., EMBA
Head of Product Development & Research

 

Schlussbetrachtung & Ausblick

Der Wohnimmobilienmarkt 2025 bewegt sich im Spannungsfeld zwischen psychologisch bedingter Zurückhaltung und sich verbessernden fundamentalen Rahmenbedingungen. Zwar wirken vergangene Verluste und Verunsicherungen weiterhin hemmend – doch die zunehmende Angebotsknappheit, die Stabilisierung der Zinsen und die ersten positiven Preisimpulse lassen darauf schließen, dass die Marktdynamik sukzessive zurückkehrt.

Gleichzeitig bleibt der Transaktionsmarkt – trotz erkennbarer Belebung – unter dem langjährigen Durchschnitt. Dies unterstreicht, dass eine flächendeckende Marktwende aktuell noch nicht gegeben ist. Vielmehr ist von einem phasenweisen Re-Entry auszugehen.

Für Investoren bedeutet dies: Der Zeitpunkt für eine strategische Neupositionierung im Marktumfeld verbessert sich, erfordert jedoch weiterhin hohe Disziplin in der Objekt- und Standortauswahl. In einem Umfeld, das sich zunehmend durch Knappheit und Preisstabilisierung definiert, werden mikroökonomische Faktoren, Assetqualität und mittelfristige Nachfrageperspektiven zu entscheidenden Selektionskriterien.

Das Narrativ eines „Buy in May“ lässt sich somit nicht als pauschaler Marktruf interpretieren – wohl aber als Hinweis auf eine beginnende Normalisierung unter veränderten Vorzeichen. Für gut informierte Investoren mit langfristigem Horizont ergeben sich daraus gezielte Einstiegsmöglichkeiten in einem sich neu justierenden Wohninvestmentmarkt.

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Über KINGSTONE Real Estate

KINGSTONE Real Estate ist ein institutioneller, eigentümergeführter Immobilieninvestmentmanager und bietet eine Bandbreite an Produkten und Anlagestrategien in den Märkten Deutschland und Zentraleuropa, welche das ganze Renditespektrum von Core bis Opportunistisch abdecken. Unser Fokus liegt hierbei auf ESG-Produkten in den Bereichen Wohnen, Büro und Gesundheit. Darüber hinaus können wir auch Investmentlösungen im Bereich Real Estate Debt anbieten.

Mehr Informationen unter: www.kingstone-re.com

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Ansprechpartner

Maximilian Radert
E: research@kingstone-re.com

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