Die Effekte von Home-Office für den Büroimmobilienmarkt – eine intertemporale Betrachtungsweise deckt aktuelle Fehlinterpretationen auf
Das aktuelle ZIA-Frühjahrsgutachten 2022 vom „Rat der Immobilienweisen“ zeichnet ein differenziertes Bild vom deutschen Büroimmobilienmarkt. Zwar werden steigende Transaktionsvolumina, steigende Mieten und sinkende Renditen aufgezeigt. Auf der anderen Seite werden aber auch die Unsicherheiten rund um das Home-Office thematisiert. Diese diffuse Gefühlslage rund um das Büro wollen wir mit unserem ersten Blog-Eintrag aufgreifen.
Tatsächlich hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass ein Großteil der Bürobeschäftigten das Arbeitszimmer in die eigenen vier Wände verlegen musste. Videokonferenzen aus den privaten Arbeitszimmern waren ein oft gesehener Anblick im Arbeitsalltag während der Pandemie.
Dank der zunehmenden Impfquote kehrt die Alltagsnormalität langsam wieder zurück. Restaurants sind wieder gefüllt und Urlaubsreisen in fernere Länder werden wieder gebucht. Nur was bedeutet dies für die Bürolandschaft? Drängen die Menschen wieder zurück in das Büro oder überwiegen die positiven Erfahrungen aus dem Home-Office? Kann das Arbeiten von zu Hause gar das traditionelle Büro ersetzen und was wird dies in letzter Konsequenz für den Büroimmobilienmarkt bedeuten?
Um diese Fragen zu beantworten ist die Sicht aus zwei Perspektiven vonnöten.
Zum einen:
- In welchem Umfang werden die Arbeitnehmer Home-Office zukünftig für sich einfordern?
- Lässt die Unternehmensleitung dies zu?
- Wie hoch sind die finanziellen Einsparpotentiale durch die Reduktion von Büroflächen?
Zum anderen:
- Aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive stellt sich die Frage, wie sich Sektoren mit einem hohen Anteil an Bürobeschäftigung entwickeln werden.
- Kommt es in diesen Sektoren zu einem starken Anstieg der Beschäftigung, so könnte dies die Nachfrage nach Büroimmobilien in Zukunft erhöhen. Eventuell auch dann, wenn das Büro in den heimischen vier Wänden immer beliebter wird.
Im Folgenden werden diese Aspekte exemplarisch an dem Markt München analysiert. Die wirtschaftliche Entwicklung für die bayrische Metropole wird für die Zukunft äußerst positiv bewertet. Vor allem die Informations- und Technologiewirtschaft, welche einen hohen Anteil an Bürobeschäftigten aufweist, wird voraussichtlich an Wertschöpfung stark zulegen. Gerade zwischen der Entwicklung der Wertschöpfung und der Entwicklung der Bürobeschäftigung besteht eine starke ökonometrische Wechselwirkung.
Gleichwohl gilt es die potenziellen monetären Einsparpotenziale in die Analyse einzubeziehen, da jeder eingesparte Euro an Bürofläche die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen erleichtert. In letzter Konsequenz besteht ein klassischer Trade-Off zwischen den finanziellen GuV-Entlastungspotenziale auf der einen und den künftigen positiven Beschäftigungseffekten auf Basis der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung auf der anderen Seite. Letztere Argumentation ist um Gedankengänge hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der Büroräume zu ergänzen.
Muss ein „Büro der Zukunft“ mehr sein als ein reiner Platz zum Arbeiten – vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der wachsenden Schwierigkeiten junge Talente anzuwerben – sein? Und würde dies bedeuten, dass der Platz pro Mitarbeiter – im Gegensatz zur Entwicklung der letzten Jahre – in Zukunft anwächst?
Bürofläche in München – gerade in der Spitzenlage – ist im nationalen Vergleich sehr teuer. So liegt der Mietpreis in Spitzenlagen in München derzeit bei bereits fast 40 Euro pro Quadratmeter. Bei einer durchschnittlichen Bürofläche pro Beschäftigten von knapp 25 qm, beläuft sich die Miete pro Beschäftigten auf ca. 970 Euro pro Monat (ca. 11.600 EUR pro Jahr). Umfragen legen nahe, dass Mitarbeiter auch künftig ein- bis zweimal in der Woche im Home-Office arbeiten möchten. Dies könnte also eine erhebliche Reduktion an Bürofläche bewirken. Das muss aber nicht die Regel sein. Ein Grund für die Überschätzung der Einsparpotenziale könnte sein, dass es dennoch immer wieder Tage und Zeiten in der Woche gibt, in denen ein Großteil der Belegschaft die Büroräume aufsucht. Da für diese Zeiten das Bürogebäude immer noch genügend Kapazitäten für den Großteil der Belegschaft bieten muss, spricht dies gegen einen großflächigen Abbau an Bürokapazitäten.
Es besteht somit die Gefahr, dass die Diskussion über das Flächeneinsparpotential recht eindimensional geführt wird, da oft ad-hoc-Flächeneinsparpotenziale formuliert werden. Diese existieren aber de facto nur auf dem Papier, da die durchschnittliche Restlaufzeit (WAULT; Weighted Average Expired Lease Term) für Bürokontrakte in Deutschland ca. fünf Jahre beträgt. Das Einsparpotenzial wird damit frühstens im fünften Jahr schlagend. Getreu dem „Going-Concern-Prinzip“ und einer langfristigen unternehmerischen Planung wäre sogar eine Zukunftsbetrachtung von ca. zehn Jahren sinnvoll. Damit relativieren sich – vor dem Hintergrund der steigenden Bürobeschäftigung und einer möglichen steigenden Flächeninanspruchnahme je Bürobeschäftigtem – die Einsparpotenziale erheblich.
Ein kleines Modell verdeutlicht die Effekte. Unter der Annahme einer gleichverteilten Inanspruchnahme der Belegschaft von Home-Office innerhalb einer Woche, ergibt sich ein ad-hoc-Flächeneinsparpotenzial von 23%. Unter der realistischeren Annahme, dass Arbeitnehmer bestimmte Wochentage präferieren, reduziert sich die Ersparnis auf ca. 16%. Unter Berücksichtigung von WAULT-Effekten und „Going-Concern“-Aspekten verringern sich die effektiven Einsparpotenziale bei Präferenzen für bestimmte Wochentage auf 6% (5 Jahre) bzw. 2% (10 Jahre). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der aktuelle Handlungsbedarf hinsichtlich der Flächenreduktion für den Unternehmer praktisch nicht gegeben ist, da die Arbeitnehmer Homeoffice nicht gleichverteilt in Anspruch nehmen, die Bürobeschäftigung künftig wächst und mehr Fläche pro Bürobeschäftigtem wohl vonnöten ist.
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Über KINGSTONE Real Estate
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